Brauchen Bilder einen Titel? Oder ist o.T. ok?
o. T. - Kunst ohne Titel
Kürzlich besuchte ich eine Ausstellung, die mich begeistert hat. Alle Bilder der Künstlerin waren mit o.T. bezeichnet. Das macht sie grundsätzlich so.
Es handelte sich um eine umfassende Werkschau und vieles hat sich mir nicht erschlossen. Ich habe mir also selbst was zusammen gereimt. Mittlerweile habe ich herausgefunden, dass einige meiner Assoziationen zu den Motiven gepasst haben; ich bin jedoch immer noch neugierig...
Das und die damit verbundene Mühe haben mich nachdenklich gemacht. Ich wollte der Fragen "Brauchen Bilder einen Titel?" einmal auf den Grund gehen.
Und wie ist das überhaupt mit abstrakter Malerei?
Wie werden Bilder konsumiert?
Die meisten Menschen lassen in einem Museum, in einer Galerie oder in einer Ausstellung zunächst die Bilder oder Objekte auf sich wirken. So habe ich es beobachtet.
Dann lesen sie ggf. den Titel. Oder auch nicht.
Im Museum bekommt der Betrachter den Kontext zur Ausstellung
Häufig gibt es einleitende Worte und Erläuterungen zum Thema der Ausstellung und zum Lebenslauf des Künstlers oder der Künstlerin. Die Kuratoren ordnen das Thema und die Werke in die Kunstgeschichte und den Zeitgeist ein. Es werden Einflüsse und parallele Ereignisse erörtert.
Bei Vernissagen in Galerien gibt es oft entsprechende Ansprachen. Bei Besuchen abseits der offiziellen Veranstaltungen kann eine Hinführung zum Thema und eine Vorstellung der Kunstschaffenden durch den Galeristen erfolgen. In einem Gespräch kann man dann auch auf eigene Fragen Antworten bekommen. Nicht immer ist jedoch zu viel Information erwünscht.
Wieviel wollen wir vom und über Werk und Autor wissen?
Bildbeschriftung im Museum
Bildbeschriftungen fallen in Ausstellungen unterschiedlich ausführlich aus. Die Fakten können bei einer Einordnung in die Zeit und das Zeitgeschehen helfen. Ich finde es spannend, wenn Künstler sich inhaltlich damit auseinandersetzen.
Auch stilistisch kann man die Epochen oft gut erkennen. Wenn man mehr über den Künstler oder die Künstlerin weiß, kann man im Werk oft verschiedene Schaffensperioden unterscheiden. Das prominenteste Beispiel dafür ist sicherlich Picasso mit seiner blauen und rosa Periode.
Nicht zuletzt geht es im Museum um die historische und thematische Einordnung von Kunst und um künstlerische Positionen und einen gesellschaftlichen Kontext.
Die folgenden Elemente sind von Bedeutung und von Interesse für Besucher:
- Name des Künstlers
- Titel des Bildes
- Entstehungsjahr
- Technik bzw. Malmedium oder Material
- Provenienz bzw. Leihgeber
Bildbeschriftung in einer Galerie und auf der Messe
In der Galerie geht’s ums Geschäft. Natürlich geht es auch um Positionen, den Auf- und Ausbau von Reputation, um das Netzwerken, um Sehen und gesehen werden. Es geht um Kultur und Gesellschaft, durch einen Filter. Letztlich sichern Galerien den Betreibern und den Künstlern die Existenz. Sie sind ein Tor zum Markt. Für Sammler eröffnen sie einen Zugang zum Kunstmarkt.
In einer Galerie steht der Name des Künstlers nicht zwingend auf dem Etikett neben dem Kunstwerk, sondern bei Solo-Shows im Schaufenster und auf der Einladung. In Gruppenausstellungen stehen die Künstler-Namen oft oben auf den Wänden über den Gemälden. Die Beschriftung der Werke enthält dann:
- Titel des Bildes
- Entstehungsjahr (manchmal)
- Technik bzw. Malmedium oder Material
- Bild Maße in Höhe x Breite
- Preis
Je älter das Bild und je berühmter der Künstler und je teurer, desto eher kommt es vor, dass dort steht „auf Anfrage“.
Was will der Künstler damit sagen?
Bei Bildtiteln ist alles möglich. Ein Bild sagt schließlich mehr als 1000 Worte.
Ein Titel kann für Klarheit sorgen oder für Verwirrung. Der Titel zum Bild eröffnet eine weitere Dimension – er kann die Darstellung in Raum und Zeit verorten oder in einen nicht-faktischen Zusammenhang stellen. Gedanken, Gefühle, Wünsche, Träume, Sehnsüchte… eine ganze Welt von Geschichten kann durch einen Titel für ein Gemälde zugänglich gemacht werden. Manchmal stellen Bildtitel einen Bezug her und manchmal erscheinen sie völlig abstrakt und losgelöst vom Gemälde. Und sie können Fragen stellen.
Was will der Künstler damit sagen?
Führen Bildtitel nicht viel eher zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen als zum Kern der Aussage? Und gibt es den überhaupt immer? Ist es nicht gerade attraktiv an der Kunst, dass sie viel Spielraum lässt für eigenes Erleben der Betrachtenden?
Oder kann man nicht Nichts sagen?
Ohne Titel: ist das der Ausweg?
Ist es Absicht, sogar Teil des Konzepts oder machen die Kunstschaffenden es sich damit einfach leicht?
Bild-Titel: ja oder nein?
Für beide gibt es Argumente. Ich möchte einmal die beiden Pole gegenüber stellen:
These: Titel schränken den Kunstgenuss ein.
„Das Bild spricht für sich selbst.“
„Hätte ich Worte, müsste ich nicht malen.“
„Ich möchte dem Betrachter alle Freiheiten lassen, eigene Fantasien zu entwickeln, seinen Gefühlen zu folgen, ihn nicht lenken in seiner Interpretation. Ich möchte der Betrachterin den Raum öffnen, für sich ein eigenes Narrativ zu spinnen.“
In dieser Weise habe ich es von vielen KünstlerInnen gehört.
Antithese: Titel dienen dem Zugang zu Kunst
Eine Lehre von der Akademie sagt, ein Titel muss sein.
Ein Titel bietet einen Zugang und öffnet eine zusätzliche Ebene der Wahrnehmung.
Brauchen Bilder einen Titel? Wie ich das sehe.
Ich mag es, wenn Bilder einen Titel haben.
Ich genieße Malerei und Kunst meistens genauso: wenn mir etwas gefällt, mich interessiert oder neugierig macht, verweile ich und schaue und je nach Anziehung und Komplexität mache ich mir meine eigenen Gedanken oder lasse mich einfach berühren. Dann lese ich auch die angebotenen Informationen. Der Bild-Titel ist für mich definitiv erst der zweite Eindruck. Der Titel verschafft mir jedoch zusätzlich einen Zugang. Das schätze ich sehr.
Ein Titel zum Bild rundet den Kunstgenuss ab.
Wenn mich Kunst interessiert und neugierig macht, möchte ich auch gern mehr über den Kunstschaffenden und Hintergründe zum Werk erfahren.
In der eingangs erwähnten Ausstellung hätte ich mir in dem Moment irgendeinen Anhaltspunkt zu den Bildern gewünscht. Ein Kontext hätte mir einen viel persönlicheren Zugang ermöglicht. In dem Museum wurde keinerlei einleitende Information angeboten. Auch Videos wurden ohne Erklärung gezeigt. Ich fühlte mich komplett allein gelassen.
Fazit
Letztlich ist es Geschmacksache. Ich finde: ein Titel ist eine zusätzliche Information und ein Angebot des Künstlers. Du kannst es annehmen oder ignorieren.
Wie wichtig sind dir Titel zu Bildern und wie gehst du damit um? Schreib mir gerne, es interessiert mich wirklich sehr.
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